An die Abgeordneten des EU-Parlaments
Sehr geehrte Abgeordnete,
als Verantwortliche von Diskussionsforen wenden wir uns an Sie und möchten unsere Bedenken gegen die neue EU-Richtlinie und speziell Artikel 13 ausdrücken.
Wir sind die Betreiber und Administratoren von mehr als 370 deutschsprachigen Diskussionsforen mit mehr als 15 Millionen Mitgliedern. Uns eint die große Sorge, dass durch die EU-Urheberrechtsrichtlinie unsere Foren und damit die Diskussionskultur im deutschsprachigen Internet existenziell gefährdet werden.
Die öffentliche Diskussion zur EU-Urheberrichtlinie dreht sich fast ausschließlich um YouTube und andere große US-amerikanische Plattformen. Dabei gerät aus dem Blick, dass Diskussionsforen jeder Größe ebenso von der neuen Richtlinie betroffen sein werden.
In Deutschland ist in den letzten 20 Jahren eine Landschaft aus hunderten Diskussionsforen gewachsen, in denen sich mehrere Millionen von Menschen zu den verschiedensten Themen austauschen, informieren und einander unterstützen.
Foren sind nicht nur für ihre eigenen Mitglieder eine digitale Heimat, sondern auch eine unerschöpfliche Wissensquelle für die Allgemeinheit:
- Selbsthilfegruppen z.B. zu Krebs, Behinderung, Suchterkrankungen und Ernährung
- Hilfe bei Computer-Problemen
- Hobbies wie Haustiere, Autos, Fotografie oder Angeln
- Geschichte und Politik
- Urlaub & Reisen
- Berufsgruppen wie z.B. Friseure, Rettungssanitäter, Feuerwehrleute oder Techniker
Um das klar zu sagen: Die Rechte der Urheber sind in unseren Augen ein hohes Gut, das wir als Betreiber gemeinsam mit unseren ehrenamtlichen Moderatoren täglich schützen.
Wenn in der aktuellen Diskussion vom „Internet als rechtsfreiem Raum“ gesprochen wird, müssen wir vehement widersprechen. Bereits jetzt müssen Forenbetreiber viele gesetzliche Regelungen beachten und setzen sie täglich bei ihren Mitgliedern aktiv durch.
Impressum, DSGVO-konforme Datenschutzerklärungen und Kenntnisse in Wettbewerbsrecht, Persönlichkeitsrecht und natürlich Urheberrecht sind Selbstverständlichkeiten. Vor allem sorgen wir und unsere Moderatoren dafür, dass in unseren Communities weder Persönlichkeitsrechte noch Urheberrechte verletzt werden, indem Diskussionen eng begleitet und Verstöße sofort geahndet werden.
Das aktuelle Verfahren „Take down on Notice“ nimmt uns bereits heute in Haftung, wenn wir 24 Stunden nach Benachrichtigung Rechtsverstöße nicht entfernt haben. In diesen 24 Stunden müssen wir Beiträge sichten, sie juristisch bewerten, mit den Beteiligten kommunizieren und die Beiträge ggf. löschen.
Dies ist unsere Verantwortung, die wir bewusst und gerne tragen.
Artikel 13 wird uns aber für jeden Verstoß unserer Mitglieder unmittelbar haftbar machen, was uns massive Haftungsrisiken mit unabsehbaren juristischen und finanziellen Konsequenzen aufbürdet.
Foren sind von Artikel 13 betroffen
In Interviews und in sozialen Medien wurde wiederholt behauptet: „Online-Foren sind nicht betroffen“.
Dem ist nicht so:
- Foren fallen unter die zentrale Definition in Artikel 2 (5): der Hauptzweck ist das Hochladen, Organisieren und Darstellen geschützter Werke: Die Textbeiträge und Bilder unserer Mitglieder.
- Für Diskussionsforen wurden keine Ausnahmen eingeräumt wie z.B. für Wikipedia, GitHub, eBay oder Dropbox.
- Die verbliebenen Ausnahmen sind so eng gesteckt, dass kaum ein Forum davon profitieren würde: Nahezu alle Foren sind älter als drei Jahre und somit haftbar.
- Ausnahmen für kleine Plattformen, die noch in der Richtlinienversion im September enthalten waren, sind in den Trilog-Verhandlungen wieder entfallen.
Bis dahin müssen Diskussionsforen jahrelang mit enormen juristischen und finanziellen Risiken leben.
Konsequenzen aus Artikel 13 für Diskussionsforen
Wegen dieser Unsicherheiten und dem juristischen und finanziellen Haftungsrisiko werden viele Diskussionsforen schließen, da kleine Vereine oder ehrenamtliche Betreiber diese Situation nicht tragen können.
Auch kommerzielle Betreiber sind in ihrer Existenz gefährdet, wenn sie kostenpflichtige Lizenzen abschließen müssen und zur Installation von teuren Upload-Filtern verpflichtet werden.
Unbestimmte Regelungen bedeuten für uns jahrelange Rechtsunsicherheit, erhebliches Abmahnrisiko und potentielle Rechtskosten, was sich kein Betreiber auf die Dauer leisten kann.
Als Folge wird die Diskussionskultur im deutschsprachigen Internet empfindlich beeinträchtigt, viele Bürger werden ihre digitale Heimat in Diskussionsforen verlieren.
Konsequenzen für die Internet-Kultur
Sollte die Richtlinie mit Artikel 13 in der jetzigen Form beschlossen werden, wird sich die Kommunikationskultur im Internet grundlegend ändern. Plattformen wie YouTube, Instagram und Facebook werden mit ihren technischen und finanziellen Ressourcen reagieren können.
Diskussionsforen als digitale Heimat vieler Bürger sind jedoch in ihrer Existenz bedroht.
Unsere dringende Bitte: Lehnen Sie Artikel 13 ab.
Auch im Namen unserer mehr als 15 Millionen Mitglieder fordern wir Sie auf, Artikel 13 der EU Urheberrechtsrichtlinie nicht zuzustimmen:
- Wir halten Artikel 13 für grundsätzlich den falschen Weg, um die Rechte von Urhebern zu stärken: Urheber werden nur minimal profitieren, im Gegenzug wird die Diskussionskultur im deutschsprachigen Internet massiv beeinträchtigt.
- Die technische Infrastruktur, die zur Filterung geschützter Inhalte erforderlich ist, lässt sich von autoritären Regierungen leicht missbrauchen, um missliebige Stimmen zum Schweigen zu bringen.
- Als Forenbetreiber sehen wir die Existenz unserer Plattformen bedroht.
- Als EU-Bürger sehen wir die Diskussionskultur und die Meinungsfreiheit im Internet in Gefahr.
Andreas Jürgensen und Erstunterzeichner
für die Initiative „Foren gegen Uploadfilter“